Das Kālāma Sutta ist ein Diskurs über freies Denken und eine Erklärung des Weges zur richtigen Erkenntnis der Realität. Es ist wichtig für den modernen Menschen um sowohl den eigenen Geist als auch die Außenwelt zu verstehen. In gewisser Weise hilft es uns unsere Augen für die Realität zu öffnen (yathābhuta) und die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind und uns dabei auf den richtigen Pfad zu führen. Es folgen Auszüge aus dem Kālāma Sutta.
Als der Buddha einstmals mit einer großen Gruppe Mönchen unter den Leuten von Kosala (eine Region im antikem Indien) weilte, kam er zu einem Dorf namens Kesaputta. Dessen Bewohner waren als Kālāmas bekannt. Nun hörten die Kālāmas, dass der Buddha Gotama sich Kesaputta näherte. Also kamen die Kālāmas um den Buddha zu sehen. Als sie sich ihm näherten, grüßten ihn einige höflich und setzten sich zu einer Seite nieder; einige grüßten den Buddha höflich und nach dem Austausch von Grüße und Höflichkeiten setzten sie sich zu einer Seite nieder; einige hoben ihre zusammengelegten Hände und saßen sich zu einer Seite nieder; einige nannten ihren Namen und ihren Klan und saßen sich ebenso, während andere sich einfach setzten ohne ein Wort zu sagen. Als sie saßen, sagten die Kālāmas von Kesaputta folgendes zum Buddha:
Sehr geehrter Ehrwürdiger, einige Einsiedler und Brahmanen kamen nach Kesaputta. Über ihre eigenen Ansichten verkündeten und erklärten sie diese in allen Details, sie ließen ihre Doktrinen zünden und leuchten. Aber die Ansichten anderer werden von ihnen beleidigt, verachtet, beschimpft, abgewertet und beschädigt. Außerdem – Ehrwürdiger – taten es andere Einsiedler und Brahmanen, die auch nach Kesaputta kamen, genauso. Wenn wir ihnen zuhören – Ehrwürdiger – haben wir Zweifel und schwanken, welcher dieser Ehrwürdigen die Wahrheit sagt und welcher die Unwahrheit.
Darauf gab der Buddha Gotama Rat und zeigte den Kālāmas den Weg zur Wahrheit indem er sagte:
Ja, ihr Kālāmas, ihr könnt wohl zweifeln, ihr könnt wohl schwanken, in zweifelhaften Fragen schwankt man. Nun seht, ihr Kālāmas, lasst euch nicht durch Berichte, Tradition oder Hörensagen in die Irre leiten. Lasst euch nicht durch Schriftkenntnis in die Irre leiten, oder durch schierer Logik oder Ableitung, weder bei der Betrachtung umfangreicher Argumente noch durch vorgefassten Ideen oder Ansichten, weder dadurch, dass es akzeptabel erscheint, noch aus Respekt gegenüber einem Einsiedler, der diese vertritt.
Der Buddha erklärt hier, dass Wahrheitssuchende ihre Aufmerksamkeit auf diese zehn Punkte richten sollen um inkorrektes Wissen zu vermeiden. Viele Akademiker, Hochgebildete oder jeder andere religiöse Lehrer oder Philosoph würde in die Irre gehen oder den rechten Weg verlassen wegen dieser zehn Punkte. Sie würden uns folglich etwas falsches lehren, einen falschen Weg, eine böse Doktrin oder eine falsche Ansicht, die schlecht für die Gesellschaft ist. Die Hörer solcher Ansichten würden den falschen Weg in ihrem Alltag leben und sie würden ihn praktizieren ohne die Wahrheit oder den korrekten Weg zu sehen. Die zehn Punkte sind hier mit den Pāliwörtern erklärt, die der Buddha benutzte:
- Mā anussavena
Seid nicht durch Berichte in die Irre geleitet. Manchmal mag es nicht korrekt oder eine falsche Tatsache sein. Daher kann es sein, dass man zu einer falschen Ansicht oder inkorrekten Schlussfolgerung kommt, wenn man einen Bericht erst einmal akzeptiert. - Mā paramparāya
Seid nicht durch Tradition in die Irre geleitet. Hier sagt der Kommentator, dass Tradition nicht immer für wahr genommen werden soll (paramparākathaya pi mā ganhitta). - Mā itikirāya
Seid nicht durch Nachrichten oder Hörensagen in die Irre geleitet. Wir sollten nicht glauben was andere sagen ohne Recherche oder sorgsamer Vorsicht. Wenn wir sofort glauben was andere sagen, können wir einen verdrehten Geist haben aufgrund der Nachrichten und wir könnten falsch handeln. - Mā piṭakasampadānena
Seid nicht durch die Autorität der Schriften in die Irre geleitet. Die gesamten religiösen Schriften bestimmter religiöser Lehrer, die an falschen Ansichten (micchā diṭṭhi) festhalten, könnten völlig falsch sein. Manchmal gibt es zweifelhafte Stellen oder spätere Hinzufügungen in jeglichem altem Buch in jeder Religion. Daher sollten wir damit vorsichtiger sein. - Mā takkahetu
Seid nicht durch schiere Logik und Argumentation in die Irre geleitet. Bestimmte Aussagen könnten der Argumentation zufolge stimmen, aber im praktischen Leben sind sie falsch. Bis zu einen gewissem Grad können wir die Argumentation anwenden, aber reine Argumentation kann uns zu einer falschen Schlussfolgerung führen. - Mā nayahetu
Seid nicht durch schierer Theorie oder Ableitung in die Irre geleitet. Eine weithin anerkannte Theorie kann von den tatsächlichen Ereignissen weit entfernt sein. - Ma ākāraparivitakkena
Seid nicht durch die Betrachtung nur der äußeren Form in die Irre geleitet. Hierzu erklärt der Kommentator folgendes: „Bestimmte Dinge sollte man nicht für wahr halten indem man die Aussage für toll, schön und schön ausgedrückt hält.“ (sundaram idam karananti evam karariaparivitakkenapi mā ganhittha). - Ma diṭṭhinijjhānakkhantiya
Seid nicht durch voreingenommenen Ideen, Auffassungen oder Ansichten in die Irre geleitet. Voreingenommene Ideen verdunkeln die Wahrheit. Wahrheitssuchende sollten einen offenen Geist haben. - Mā babbarāpatāya
Seid nicht durch etwas in die Irre geleitet, nur weil es annehmbar erscheint. Der Kommentator erklärt das so: „Jede Äußerung oder Darlegung sollte nicht für wahr genommen werden indem man denkt 'Dies ist ein fähiger Mönch. Daher sollten wir seine Aussage akzeptieren'.
(Ayam bhikkhu bhabbarupo, imassa katham gahetuni pi mā ganhittha) - Mā samano no garā
Seid nicht von irgendetwas in die Irre geleitet aufgrund Respekt für einen Einsiedler oder Lehrer, der dieses vertritt. Der Kommentator erklärt, dass man nicht etwas aufgrund dieses Gedankens für wahr halten soll: „Dieser Mönch ist unser Lehrer, daher sollten wir alle seine Worte akzeptieren.“ (Ayam samano amhākam garu, imassa katham gahetum yuttanti pi mā ganhittha).
In Übereinstimmung mit diesem Diskurs über dem Dhamma sollten wir sehr achtsam sein, wenn wir Wissen und Wahrheit erlangen sollen. Darauf fährt der Buddha fort:
Aber, ihr Kālāmas, wenn ihr für euch wisst, diese Dinge sind zwecklos, diese Dinge sind zu verdammen, diese Dinge werden von den Intelligenten zensiert, wenn diese Dinge ausgeführt und unternommen werden, führt es zu Verlust und Kummer, dann solltet ihr es in der Tat ablehnen, ihr Kālāmas.
Der Buddha erwähnte gegenüber den Kālāmas einen speziellen Ausdruck, nämlich attanāva janeyyātha – „wisst für euch selbst“. Uns wurde die vollständige Freiheit zu denken, zu analysieren und zu untersuchen gegeben, was wir auch immer vor uns haben. Er ist für diejenigen, die die Wahrheit suchen, von höchster Wichtigkeit. Wahrheitssuchende sind dazu eingeladen alle Tatsachen zu untersuchen und erneut zu hinterfragen, die sie vor sich haben und zu einem letztendlichen Entscheidung über die Wahrheit zu kommen, aber es sollte in Übereinstimmung mit Dhamma, Realität oder Rechtschaffenheit sein.
Wissenschaftler akzeptieren nichts aufgrund bloßem Hörensagen, Tradition oder Nachrichten. Sie akzeptieren nicht gleich, was in den Büchern steht. Theorie, Argumentation oder der Anschein werden von ihnen nicht einfach akzeptiert. Sie lehnen vorgefasste Ideen und Auffassungen ab. Sie akzeptieren nichts nur weil es akzeptabel erscheint und sie glauben an nichts was auch immer der Lehrer sagt. Sie analysieren, examinieren, erforschen, untersuchen und überprüfen die Fakten. Es sollte hier erwähnt werden, dass der Buddha wissenschaftliches Denken und die wissenschaftliche Methode in seiner embryionischen Form aufzeigte, als er das Kālāma Sutta verkündete.
Die wissenschaftliche Methode kann im Kontext buddhistischer Praktiken als „für sich selbst wissen“ angewandt werden. Der Buddha erklärt:
Kālāmas, wenn ihr für euch selbst wisst: „Diese Dinge sind gut; diese Dinge sind nicht tadelnswert; diese Dinge werden von den Weisen gelobt; diese Dinge führen zum Wohle und zum Glück, wenn man sie untersucht und beobachtet,“ dann nehmt sie an und haltet euch daran.
Wie wir es von der wissenschaftlichen Methode kennen, der beste Weg etwas zu beobachten ist es zu isolieren indem man so viele Variablen wie möglich eliminiert oder kontrolliert. Indem wir Moralität (sīla) praktizieren mentale Ablenkungen (wie Wünsche oder Sorgen) und negative Emotionen (wie Zorn, Böswilligkeit und Eifersucht) können kontrolliert und verringert werden, so dass der Geist weniger agitiert und fähiger wird um zu beobachten. Danach kann der Geist weiter durch Meditationspraxis (siehe Anhang II und III für Beispiele) beruhigt werden und ist fähig klar und mit scharfsinniger Wahrnehmung zu beobachten. Daher sind die Variablen die mentalen Ablenkungen, Emotionen und Eintönigkeit können eliminiert oder verringert werden. An diesem Punkt kann eine spezifische Lehre, Praktik oder Ansicht überprüft, „untersucht und beobachtet“ werden, ob es „zum Wohle und zum Glück führt.“
Dogmatische Ansichten (diṭṭhi) können einfach verworfen werden, wenn man der Methode folgt, die im Kālāma Sutta gelehrt wurde. Falsche Ansichten sind sehr gefährlich, da sie alles auf der Welt zerstören können. Sie können Menschen und die heiligen Monumente anderer Religionen zerstören. Falsche Ansichten sind sowohl für den, der sie hat, als auch für andere schädlich. Einige Menschen sind durch ihre dogmatischen Ansichten erblindet. Sie rennen ihren eigenen dogmatischen Ansichten hinterher und suchen ihr Glück in ihnen.
Wenn man der Methode folgt, die im Kālāma Sutta gelehrt wurde, können die Menschen ihre dogmatischen Ansichten verstehen, sie können ihre unnötigen mythischen Ansichten ablegen und den korrekten Weg erreichen. Es ist die Methode der philosophischen Wahrheitssuche und der methodischen Untersuchung. Das Kālāma Sutta kann einfach durch dieser modernen, wissenschaftlichen Gesellschaft und für alle Menschen angewandt werden. Daher hat es einen immer währenden Wert und ethische Bedeutung.
Literatur
- The Kālāma Sutta, Anguttara Nikaya, Vol. I, P.T.S., London, 1961.
- Manorathapurani (Commentary to the Anguttara Nikaya) , Vol. ii, P.T.S., London, 1967.