Einige Wissenschaftler mit geringen Kenntnissen über den Buddhismus sind der Auffassung, dass es im Buddhismus keine sozioökonomische oder politische Philosophie gibt. Max Weber, ein wohlbekannter Wissenschaftler, der als „Vater der Religionssoziologie“ betrachtet wird, erklärt über die sozialen und politischen Aspekte des Buddhismus:
Der Buddhismus hat keinerlei Verbindung mit irgendeiner sozialen Bewegung, noch verläuft er mit solch einer parallel und er hat keine sozialen oder politischen Ziele formuliert.
Er führt weiterhin aus, dass der Buddhismus unsozial und antipolitisch sei und dass er als eine „außerweltliche Religion“ betrachtet werden kann. Das ist eine irreführende und verfälschte Auffassung über den Buddhismus. Es ist eindeutig, dass Max die buddhistische Lehre nicht tiefgründig analysierte. Der Buddhismus ist auf keinem Fall eine außerweltliche Religion. Er beinhaltet eine wohldefinierte sozioökonomische und politische Philosophie. Professor D.D. Kosambi und Professor Rhys Davids akzeptieren, dass es eine sozioökonomische und politische Philosophie des Buddhismus gibt und beweisen, dass die oben genannte Idee falsch ist.
Eine anderes Missverständnis über den Buddhismus lautet, dass der Buddhismus so ein vortreffliches System ist, dass gewöhnliche Menschen ihn nicht praktizieren können. Man muss sich in einem Kloster zurückziehen, wenn man wünscht ein wahrer Buddhist zu sein. Dies ist eine einseitige Sichtweise. Die Lehre des Buddha ist nicht nur für Mönche gedacht, sondern auch für gewöhnliche Männer und Frauen, die zu Hause mit ihren Familien leben. Der edle achtfache Pfad, Meditation zur liebenden Güte oder die zehn Vollkommenheiten sind für alle gedacht. Sie können im Alltag eines jeden praktiziert werden.
Es ist falsch zu sagen, die Buddhismus wäre unsozial. Der Buddha sprach zu den ersten 60 Arhats: „O ihr Mönche, zieht los, zum Gute der vielen, zum Glücke der vielen, zum Wohle der vielen, Gutes und Glück für Menschen und himmlische Wesen.“ Dies zeigt, dass der Buddha die Mitglieder der Gesellschaft und ihre Wohlfahrt betonte. Daher wurden die alten buddhistischen Klöster Zentren der Spiritualität, des Lernens und der Kultur. Die fünf Tugenden sind für die ganze Gesellschaft gedacht. Jeder kann sie beachten und ein spirituelles Leben führen und das wäre vom großem Nutzen für diese wetteifernde Gesellschaft.
Das Sigālovāda Sutta erklärt ausdrücklich die Familie und soziale Beziehungen. Es gibt Reihe von Anweisungen und Lehren, die sich auf den sozioökonomischen und spirituellen Fortschritt des Menschen beziehen. Der moderne Mensch kann ein sehr glückliches und wohlhabendes Leben führen, wenn er die Bedeutung der sozialen Beziehungen versteht, die im Sigālovāda Sutta erklärt werden.
Einige Wissenschaftler sind der Auffassung buddhistische Philosophie wäre nur an höherer Moralität interessiert und es würde die ökonomische und soziale Wohlfahrt ignorieren. Das Kūṭadanta Sutta erklärt die Entwicklung eines Landes durch angemessene Planung und die Natur des sozioökonomischen Fortschritts. Wir sollten nicht vergessen, dass der Buddha diese Worte im sechstem Jahrhundert vor Christus darlegte und das sie auch für heute noch von großem Wert sind.
Das Cakkavattisīhanāda Sutta beschreibt Armut, Revolution, Verbrechen in Zusammenhang mit Armut und die chaotische Situation in einem Land und die Gründe für soziale Krankheiten. Heutzutage erfährt unsere globale, wetteifernde Gesellschaft diese sozioökonomischen und politischen Krankheiten, die im Cakkavattisīhanāda Sutta beschrieben werden.
Im Aggañña Sutta finden wir eine Theorie über den Ursprung sozialer Klassen. Der Buddha beschreibt hier die Entstehung und Evolution der Vegetation, die Entstehung des Staates, die Entwicklung der Menschheit und der sozialen Klassen, die wechselhafte Natur moralischer Werte und die Beziehung zwischen moralischer Degeneration und dem Verfall der Umwelt. Im Sutta wird erklärt, wie die Wesen (sattā) weniger hart arbeiteten, unehrlicher und enethischer wurden und wie sie ihre physischen und mentalen Qualitäten verloren.
Grundlegende unsinnige Konzepte über die soziale Organisation wurden vom Buddha radikal umgewandelt. Der Buddha erklärte die Natur solcher Konzepte und ihrer Verbindung zu diṭṭhi oder dogmatischer Ansichten bestimmter religiöser Traditionen.
Die sozioökonomischen und kulturellen Umwandlungen des Buddha kann man auch heute noch in buddhistischen Gesellschaften sehen. In einem Kommentar zu sozialen Umbruch des Buddhismus sagt Narendranath Bhatthacharya
Der Aufstieg des Buddhismus diente sicherlich irgendeinen sozialem Zweck. Er hatte eine bestimmte soziale und funktionale Rolle. Aber wenige Versuche wurden unternommen dies zu verstehen.
Es ist wahr, dass der Buddhismus fähig ist, eine drastische Transformation dieser wetteifernden und kriegsähnlichen Gesellschaft vorzunehmen. Aber es braucht ein angemessenes Wissen vom und richtiges Verständnis des Buddhismus.
Die erste bedeutende Arbeit im buddhistischen sozialen Bereich ist Die Religion des Buddha (1857) von C.F. Köppen. In seinem Buch erklärt Köppen:
… der Buddha wurde als großer Befreier der Unterdrückten und ein großer politischer Innovator.
Es wäre interessant zu erwähnen, dass Köppen ein enger Freund von Karl Marx und Friedrich Engels war.
Karl Marx kritisierte rücksichtslos die Religion und das weithin akzeptierte Konzept eines allmächtigen Gottes. Der Buddhismus ist von dieser Kritik völlig unabhängig, da er kein Konzept eines Gottes beinhaltet. Trevor Ling erklärt in seinem Werk Buddha, Marx und Gott, dass der Buddhismus frei von dieser Kritik ist. Laut dem französischen Gelehrten La Loubere ist der Buddhismus vollkommen verschieden von anderen Religionen, da er keine Doktrin eines Gottes hat, er lehrt Wiedergeburt (Wieder-Werden, punabbhava) ohne die Annahme einer Seele. Bei einer Ansprache bei der Akademie der Wissenschaften in Berlin 1856 erklärt Albrecht Weber, dass die buddhistische Lehren hilfreich für eine soziale Reformation wären und dass er die Gleichheit aller Menschen akzeptierte. Karl Marx schrieb in einem Brief an seine Tochter Laura Marx am 20. März 1866:
Die meiste Zeit gehe ich spazieren und atme frische Luft ein. Ich schreibe nichts und lese wenig. Ich gehe um neun Uhr ins Bett. Ich begebe mich in den Zustand der Nichtexistenz, den der Buddhismus als die Höhe der menschlichen Feinheit betrachtet.
Diese Aussage lässt die Vermutung zu, dass Marx versuchte buddhistische Achtsamkeit und Meditation in seinen letzten Tage zu praktizieren. Ein gut bekannter politischer Philosoph, der mit revolutionären Maßnahmen die Gesellschaft verändern wollte, änderte offensichtlich seine Meinung und kam auf einem spirituellen Pfad.
Buddhismus ist die Religion, die sich am meisten an der Gesellschaft orientiert. Frühe buddhistische Klöster waren gefeierte Orte des Lernens, die zum größten Teil wie moderne Universitäten funktionierten. Die buddhistische Erziehung pflasterte den Weg für eine rechtschaffende Lebensweise und dem Wohlstand vieler Gesellschaften. Ein günstigeres sozioökonomisches System wurde vom Buddha für die Welt aufgezeigt.
Der Beitrag des Buddhismus in diesem Bereich kann nicht mit Worten erklärt werden. Es ist nicht erklärbar. Millionen Pagoden und Statuen sprechen Bände für die unermessliche Güte und die reine Motivation des Herzens. Diese Statuen waren fähig den Geist zu zähmen und die Herzen der Menschen zu ändern.
Die sehr großen und beeindruckenden Schöpfungen der buddhistischen Kunst können in Indien, China, Zentralasien, Afghanistan, Indonesien, Burma, Thailand, Japan, Korea, Sri Lanka, Nepal, Kambodscha und einige andere Länder gesehen werden. Der Boropudur Tope Komplex in Zentraljava ist eine wundervolle Schöpfung des buddhistischen Geistes. Heute versuchen moderne Architekten die Bauweise zu erklären. Das einzige was wir tun können, ist es zu bewundern und davon erstaunt zu sein. Die Großartigkeit und Schönheit dieser Strukturen versetzt den Beobachter in Ehrfurcht vor dieser unermesslicher Hingabe und Inspiration der Menschen, die sie erbauten.
Candi Sewu, Candi Mendut und Candi Plaosan in Zentraljava sind auch erstaunliche buddhistische Komplexe. Warum besuchen so viele Menschen diese künstlerischen Schöpfungen? Sie pflastern definitiv den Weg zum mentalen Frieden und zu mentaler Harmonie der Besucher.
Die Gesellschaft, in der wir heute leben, ist sehr wetteifernd und auf das Geld ausgerichtet. Dieser Konkurrenzkampf und die Ausrichtung auf das Geld kosten viel Zeit, Energie und Aufwand und enden im mentalem Stress und körperlichen Schmerz. Wo finden wir also die richtige Medizin für diese Unannehmlichkeit? Wenn wir uns diese antiken Statuen an einem stillem Ort ansehen, dann durchdringen Liebe, Mitgefühl und Frieden in der reinen Seite unserer Herzen. Eine Gesellschaft wäre ein sehr glücklicher Ort, wenn viele Menschen ein reines Herz hätten.
Die Größe von Buddhas Beitrag zur Soziologie als Psychotherapeut wird von Dr. Robert H. Thouless anerkannt, einem wohl bekanntem Psychologen aus Cambridge. Wenn wir sorgfältig die Lehren des Sutta Pitaka (Lehrreden) und dem Vinaya Pitaka (Ordensregeln) untersuchen, können wir sicher grundlegende Lehren der Soziologie finden.
Der Buddhismus ist bestimmt eine sozio-ethische Bewegung und er schätzt nichts mehr als den sozio-ethischen Fortschritt. Materieller Fortschritt ohne ethische Fundierung hat keinen Nutzen. R. R. Bhole sagt: „Durch die Ausbreitung des Buddhismus nach dem erstem Jahrhundert n. Chr. nach Zentralasien, China, der Mongolei, Japan und Südostasien triumphierte er als eine weitreichende soziale und humanistische Bewegung.“
Literatur:
- Cakkavattisihanada Sutta, Digha Nikaya, P.T.S., London, 1960.
- Aggañña Sutta, Digha Nikaya, P.T.S., London, 1960.
- Dharmasiri, G., Fundamentals of Buddhist Ethics. Singapore
- Gnanarama, Ven. P., Essentials of Buddhism, Singapore, 2000.
- Ariyasena, Ven. K., Karl Marx Saha Budusamaya, (Sinhala), Colombo, 1980.